Rechtliche Besonderheiten bei Archivbildern

Alte Fotos wecken gute und schlechte Erinnerungen, sind oft lustig und manchmal sogar peinlich. Während Privatleute diese Reliquien in Fotoalben oder auf anderen Speichermedien zu Hause aufbewahren, landen wirtschaftlich, gesellschaftlich oder kulturell bedeutsame Fotografien bei Medienverlagen zwangsläuflich „im Archiv“, um bei Bedarf sofort zur Verfügung zu stehen.

 

Diese Archive werden teilweise auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wie etwa beim Deutschen Museum in München, das seine Ausstellung nun mithilfe von Google digitalisieren wird, sodass sich die Frage nach rechtlichen Besonderheiten von Archivbildern stellt.

 

Urheber- und Persönlichkeitsrechte

Da es sich bei Fotografien um die Ergebnisse menschlicher Arbeit handelt, kommt bei Archivbildern das Urheberrecht zur Anwendung. Neben den verschiedenen Urheberrechten des Bildschöpfers (Fotografen) sind aber auch die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen oder die Urheberrechte des Schöpfers bzw. die Rechte des Eigentümers des abgebildeten Werkes zu berücksichtigen. Ohne die Einwilligung dieser Personen dürfen die Bilder nicht verbreitet, also auch nicht archiviert werden.

 

Rechte des Urhebers

Dem Urheber eines Fotos stehen nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) verschiedene Rechte an seinem Werk zu: u.a. das Recht darüber zu entscheiden, ob und wie das Werk veröffentlicht (§ 12 UrhG), verbreitet (§ 17 UrhG) und als Werk des Urhebers kenntlich gemacht wird (§ 13 UrhG). Das Verbreitungsrecht, also das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen, ist dabei das für Archive relevanteste.

 

Beim Urheberrechtsschutz von Fotografien wird hinsichtlich der Laufzeit des Rechtsschutzes zwischen „einfachen“ Lichtbildern und schöpferisch geprägten Lichtbildwerken nach § 2 Abs.1 Nr. 5 UrhG unterschieden. Lichtbildwerke sind über die Lebenszeit des Urhebers hinaus für die Dauer von 70 Jahren urheberrechtlich geschützt, Lichtbilder hingegen nur leistungsgeschützt für 50 Jahre ab der Herstellung des Lichtbildes, seinem Erscheinen oder der ersten erlaubten öffentlichen Wiedergabe. Das Unterscheidungsmerkmal der „persönlichen geistigen Schöpfung“ von Lichtbildwerken aus § 2 Abs. 2 UrhG wird vor allem geprägt durch die Wahl eines bestimmten Motivs, eines bestimmten Aufnahmezeitpunkts (insbesondere des Lichteinfalls und der Schattierung), eines bestimmten Bildausschnitts/einer bestimmten Perspektive oder der Einstellung der Bildschärfe. In der Praxis ist diese Unterscheidung jedoch erst dann von Bedeutung, wenn nach 50 Jahren das Leistungsschutzrecht eines Lichtbildes abgelaufen ist und sich die Frage nach einer möglichen längeren Schutzzeit stellt.

 

Anonyme  oder unter einem Pseudonym veröffentlichte Lichtbildwerke sind ab ihrer Veröffentlichung oder, wenn sie nicht veröffentlicht worden sind, ab ihrer Schaffung für 70 Jahre urheberrechtlich geschützt, § 66 Abs.1 UrhG. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Werkschöpfer seine Identität offenbart oder eine Zuordnung des Werkes zu seiner Person ermöglicht, § 66 Abs. 2 UrhG.

 

Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten

Abgebildete Personen können – mit wenigen Ausnahmen – aufgrund ihres Rechts am eigenen Bild die Verbreitung eines Fotos verhindern, indem sie ihre Einwilligung verweigern, § 22 Kunsturhebergesetz (KUG). Nach dem Tod der abgebildeten Person entscheiden die nahen Angehörigen (Ehegatten, Kinder, Eltern) für zehn Jahre über die Verbreitung der Bilder. Personen der Zeitgeschichte, also Menschen, die ständig oder zeitweise im Fokus der Öffentlichkeit stehen (siehe auch den Blogbeitrag „Basics Medienrecht: Personen der Zeitgeschichte“) und Personen, die sich zufällig auf Bildern von Stadt- und Landschaftsansichten oder von öffentlichen Veranstaltungen befinden, gehören zu den oben erwähnten Ausnahmen und können nur in den seltensten Fällen –  zumeist im Falle von „intimen“ Aufnahmen – (siehe auch den Blogbeitrag „Strafbar: Das Anfertigen von heimlichen Foto- und Filmaufnahmen“) gegen die Archivierung „ihrer“ Fotos vorgehen, § 23 KUG.

 

Recht des Eigentümers/Künstlers

Ein grundsätzliches Recht am Bild der eigenen Sache gibt es für Eigentümer zwar nicht und Fotos von Gegenständen/Bauwerken, die von öffentlichem Grund aus gemacht wurden, bedürfen nicht der Einwilligung des Eigentümers oder Besitzers. Etwas anderes gilt jedoch für die Veröffentlichung von Bildern, bei denen für die Aufnahme ein Gebäude oder ein bestimmter Raum betreten werden musste. Hier ist die vorherige Einwilligung des Eigentümers nötig.

Auch eine Einwilligung ist erforderlich, wenn es sich um Fotos von nur vor­über­ge­hen­den Kunst­werken im Straßenbild handelt (vgl. Blogbeitrag: „Fotos von Kunstwerken im Straßenbild„).

 

Rechteübertragung/Einwilligung

Ein Fotograf kann zwar nicht auf seine Urheberrechte verzichten, Nutzungs- und Verwertungsrechte an Fotografien können allerdings vertraglich eingeräumt werden. Schriftlich muss der Vertrag dabei nur sein, wenn bislang unbekannte Nutzungarten erfasst werden sollen. Die Erben eines Urhebers, denen nach dem Tod des Urhebers dessen sämtliche Rechte uneingeschränkt zustehen, können nach herrschender Meinung innerhalb der Schutzfrist (70 Jahre) frei über das Werk verfügen, also beispielsweise auch gegen den Willen des Urhebers eine Veröffentlichung ermöglichen oder verweigern.

 

Eine einmal abgegebene Einwilligung zur Aufnahme und/oder Verbreitung eines Fotos ist für den einwilligenden Abgebildeten verbindlich und nur unter gewissen Umständen widerruflich, z.B. wenn es sich um erotische Bildaufnahmen im Rahmen einer Liebesbeziehung handelt (siehe auch den Blogbeitrag „Nacktfotos aus der Beziehungszeit: Anspruch auf Löschung nach Trennung“). Wurde die abgebildete Person für das „Modellstehen“ bezahlt, gilt die Einwilligung im Zweifel als erteilt.

 

Fazit

Wer Fotografien in sein Archiv aufnimmt, um sie der Presse oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sollte zuvor die Rechtslage hinsichtlich des Urhebers bzw. möglicher abgebildeter Personen oder Eigentümer abgebildeter Gegenstände prüfen und auch eine unter Umständen zeit- und kostenintensive Ermittlung der betroffenen Personen nicht scheuen. Denn der Nutzer eines Bildes muss vor Gericht die lückenlose Rechteübertragung bis zurück zum Urheber beweisen und die Rechtsprechung sieht allein für die fehlende Nennung des Fotografen einen Schadensersatz in Höhe eines angemessenen branchenüblichen Honorars zzgl. einem 100%igen Aufschlag für den Fotografen vor. Schlimmstenfalls droht sogar ein Strafverfahren wegen des Verstoßes nach § 108 Abs.1 Nr. 3 UrhG.

 

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