AG Charlottenburg: Urheberrechtsverletzung durch das Kopieren von AGB

Die Versuchung ist groß: Man möchte das eigene Geschäft aufziehen und verwendet dafür Teile oder mitunter auch die kompletten AGB von Dritten für seine eigenen Zwecke. Oft wird man damit auch als Anwalt in diesem Bereich konfrontiert: „Ich hab‘ mir mal diese AGB zusammenkopiert. Können Sie mir die bitte mal prüfen?“.

Losgelöst von der inhaltlichen Richtigkeit der Klauseln wird dabei jedoch oft die urheberrechtliche Seite vernachlässigt: Denn auch AGB-Texte können durch das Urheberrecht geschützt sein. Übernimmt man in einem solchen Fall den Text ohne Erlaubnis, dann setzt man sich urheberrechtlichen Ansprüchen aus (Unterlassung und Schadensersatz).

Dabei sind keineswegs alle AGB-Texte urheberrechtlich geschützt. Man wird sogar sagen müssen, dass ein Großteil der im Internet verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Urheberrechtsschutz haben. Für den Schutz kommt es letztendlich darauf an, ob einzelne Klauseln oder gar der ganze Text sich von der Masse des Alltäglichen abheben oder nicht. So ist beispielsweise anzunehmen, dass 99 % der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in eBay-Shops verwendet werden, nicht durch das Urheberrecht geschützt sind.

In dem Fall vor dem Amtsgericht Charlottenburg (224 C 442/12; rkr) habe ich die Interessen meiner Mandantin gegen ein Konkurrenzunternehmen auf Klägerseite vertreten, das die AGB vollständig übernommen und leicht abgewandelt haben. Die Besonderheit war, dass die Klägerin mit ihrem Geschäftsmodell eine der ersten auf dem deutschen Markt war. Die dafür erforderlichen AGB wurden daher individuell entwickelt. Auf Vorlagen oder andere Standardklauseln konnte dabei überwiegend nicht zurück gegriffen werden.

Die Klägerin musste feststellen, dass die AGB durch ein Konkurrenzunternehmen kopiert, leicht abgewandelt und dann verwendet wurden. In der vorgerichtlichen Auseinandersetzung wurde dann eine Unterlassungserklärung bezogen auf bestimmte Klauseln abgegeben. Die Zahlung von Schadensersatz und der Kosten der Abmahnung wurden aber verweigert, so dass die Sache zum Amtsgericht Charlottenburg gekommen ist.

Das Gericht hat der Klägerin Recht gegeben: In der Übernahme der AGB liegt eine Urheberrechtsverletzung, so dass Abmahnkosten und Schadensersatz zu zahlen sind. Die Kernfrage dabei war: Können AGB, deren Zweck ja ausschließlich die Regelung von rechtlichen Abläufen sind, als Sprachwerk nach § 2 Abs. 1 Nr. UrhG urheberrechtlich geschützt sein? Das Gericht hat in diesem Fall den Schutz bejaht und dies mit der Individualität der Klauseln begründet. Denn die schützenswerte gedankliche Leistung kann sich nicht nur in kreativen Texten (z.B. einem Gedicht) wiederfinden, sondern auch in dem gedanklichen Konzept, Aufbau und in der Formulierung von AGB:

 

Die streitgegenständlichen Geschäftsbedingungen der Klägerin heben sich insgesamt wegen der Art ihrer Gedankenführung und Formulierung vom allgemein Üblichen ab. Es handelt sich um ein umfangreiches Regelwerk, das eine Vielzahl von Einzelregelungen enthält, die zueinander in inhaltlicher Beziehung stehen und in ihrer Abfolge logisch aufgebaut sind.

 

Auch wenn man einen fremden Text bearbeitet oder umgestaltet, dann schützt dies nicht vor einer Urheberrechtsverletzung, da auch diese Handlungen rechtswidrig sein können (§ 23 UrhG).

 

Die Folge war, dass das beklagte Unternehmen die Kosten der Abmahnung in angemessener Höhe sowie Schadensersatz zahlen muss. Letzteres berechnet sich aus der sog. Lizenzanalogie. Dabei geht es im Grunde darum, was durch die rechtswidrige Übernahme des Textes an eigenen Aufwendungen erspart wurde.

Fazit: AGB können urheberrechtlich geschützt sein. Hier die genaue Grenze zwischen geschützten und nicht geschütztem AGB-Text zu ziehen, ist nicht immer leicht. Gerade deswegen ist auch davon abzuraten, sich für AGB-Klauseln bei fremden Quellen zu bedienen. Neben dem Urheberrecht gibt es dabei auch eine andere Gefahrenquelle: Die kopierten AGB könnten inhaltlich falsch sein, so dass sie schlicht keine Wirkung entfalten oder man im schlimmsten Fall eine Abmahnung deswegen erhält.

 

 

3 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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  3. Digitale Dokumente zu verarbeiten ist manchmal hakelig und führt zu Ärger mit der Compliance. Deswegen bevorzugen viele Firmen immer noch Papier, weil es einfach weniger Ärger macht. Die Zukunft ist trotzdem digital und irgendwer muss damit anfangen… Und niemand möchte tonnenweise Papier im Archiv überprüfen oder gar nachträglich digitalisieren. Eigentlich braucht es für das Schritthalten mit digitalen Trends, neuen Gesetzen und neuen Verträgen vor allem eine starke Rechtsabteilung, damit alles seine Ordnung hat.

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