Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Eintrag in Wikipedia?

Insbesondere Personen, die im Rampenlicht stehen (oder stehen möchten), legen mitunter viel Wert auf einen positiven Eintrag in der Wikipedia. Dementsprechend gibt es auch Manipulationsversuche, um dem nachzuhelfen. Genau anders herum ging es aber in dem Fall vor dem Landgericht Tübingen (Az. 7 O 525/10).

 

Ein außerplanmäßiger Geschichtsprofessor aus Tübingen hatte im Jahre 2010 wegen eines Eintrages über seinen beruflichen Werdegang (Lebenslauf, Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen, Werke) Klage gegen die Online-Enzyklopädie Wikipedia erhoben. Da der Eintrag gegen seinen Willen im Internet veröffentlicht wurde, sah der Professor sein Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte die Entfernung desselben.

 

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1 Grundgesetz) sichert dem Einzelnen einen selbstbeherrschten Bereich der privaten Lebensgestaltung zu, also einen Bereich, in dem man seine Persönlichkeit frei entfalten und leben kann. Zur privaten Lebensgestaltung gehört auch die Entscheidung, ob und wie persönliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen – auch informationelles Selbstbestimmungsrecht genannt.

 

Doch selbst wenn jemand durch die ungewollte Veröffentlichung privater Informationen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wurde, bedeutet das nicht, dass die Veröffentlichung damit rechtlich problematisch ist. Vielmehr müssen die sich gegenüberstehenden Interessen, das Recht auf Privatheit auf der einen Seite und die Informations-/Pressefreiheit auf der anderen Seite, miteinander abgewogen werden, um zu entscheiden, ob die Beeinträchtigung gerechtfertigt ist oder nicht. Nur wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die Interessen des anderen überwiegen, ist eine Veröffentlichung gegen den Willen des Betroffenen möglich.

 

Das Landgericht Tübingen hat im oben genannten Fall entschieden, dass der Wikipedia-Eintrag zwar einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt, dieser aber gerechtfertigt ist. Die Rechtsprechung habe herausgearbeitet, dass die Veröffentlichung wahrer Tatsachenbehauptungen hingenommen werden müsse, solange der  Betroffene keinen unverhältnismäßigen Schaden davontrage, z.B. durch weitläufige Informationsverbreitung oder Stigmatisierung, die zu sozialer Ausgrenzung und Isolation führt. Vorliegend sei weder das eine, noch das andere gegeben, da der Eintrag zwar online abrufbar sei, dies jedoch – anders als bei einer Zeitungsveröffentlichung – nur bei einem aktiven Informationsinteresse des Aufrufers erfolge.

 

Doch die gewichtigsten Argumente des Gerichts für die Rechtfertigung des Eintrages sind die Informationsfreiheit, insbesondere die von Personen ohne schriftliche Enzyklopädie und die Pressefreiheit. Diesen beiden „demokratischen“ Grundrechten komme ein hoher Stellenwert zu, der dem Interesse des Professors an der Geheimhaltung persönlicher Informationen, die einen gesellschaftlichen Bezug aufweisen und damit nicht der Intim-, sondern lediglich der weniger schutzwürdigen Sozialsphäre zuzuordnen sind, überwiege. Es bestehe auch kein Recht darauf, Veröffentlichungen, die einem nicht „passen“, zu verbieten.

 

Für den Einzelnen bedeutet dieses Urteil, dass die Veröffentlichung wahrer Tatsachen über die eigene Person im Internet auch ohne Erlaubnis möglich ist, solange man dadurch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. Dabei muss man sich auch solche Beiträge gefallen lassen, die einem nicht gefallen, da man keinen Anspruch auf eine kritikfreie Darstellung in der Öffentlichkeit hat. Was die inhaltliche Überprüfung der Beiträge angeht, ist der Betreiber einer Internetseite erst „ab Kenntnis“, also mit dem Zeitpunkt der Information über eine Rechtsverletzung, dazu verpflichtet. Eine generelle Prüfpflicht besteht nicht (vgl. dazu auch das „Google-Urteil“ des Bundesgerichtshofs vom 14.05.2013 – Az.: VI ZR 269/12- ).

 

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Was diskutieren wir über NSA und Facebook und andere, wenn Wikipedia locker und frei eine Seite bietet, auf der man Leute an den Pranger stellen kann, sich fantasievolle Texte ausdenken kann über noch lebende Personen, auch wenn sie nicht im öffentlichen Interesse stehen. Eine Autorisierung durch die betreffende Person ist auch nicht erforderlich. Wo bleibt hier das Persönlichkeitsrecht??? Dann ist Wikipedia nicht seriöser als Facebook, Google oder andere, die die Daten ihrer Nutzer nach ihrem Gusto verwerten. Und wieso wird der Wunsch der betreffenden noch lebenden nicht öffentlichen Person, die keinen Eintrag bei Wikipedia haben will, nicht respektiert??? Meine Wertschätzung für Wikipedia ist Geschichte. Solche Geschäftspraktiken sind absolut inakzeptabel.

  2. Vettermann
    26. Februar 2014

    Was dis­ku­tie­ren wir über NSA und Face­book und andere, wenn Wiki­pe­dia locker und frei eine Seite bie­tet, auf der man Leute an den Pran­ger stel­len kann, sich fan­ta­sie­volle Texte aus­den­ken kann über noch lebende Per­so­nen, auch wenn sie nicht im öffent­li­chen Inter­esse ste­hen. Eine Auto­ri­sie­rung durch die betref­fende Per­son ist auch nicht erfor­der­lich. Wo bleibt hier das Per­sön­lich­keits­recht??? Dann ist Wiki­pe­dia nicht seriö­ser als Face­book, Google oder andere, die die Daten ihrer Nut­zer nach ihrem Gusto ver­wer­ten. Und wieso wird der Wunsch der betref­fen­den noch leben­den nicht öffent­li­chen Per­son, die kei­nen Ein­trag bei Wiki­pe­dia haben will, nicht respek­tiert??? Meine Wert­schät­zung für Wiki­pe­dia ist Geschichte. Sol­che Geschäfts­prak­ti­ken sind abso­lut inakzeptabel

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