Fotos von (mutmaßlichen) Straftätern

Berichterstattungenvor allem in Form von Fotos über Strafverfahren gehen immer einher mit einer Spannungslage zwischen den Grundrechten der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 I GG, Art. 10 EMRK) sowie dem Recht des Beschuldigten auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens (Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG und Art. 8 EMRK). Es stellt sich daher oft die Frage, wann Personen unkenntlich gemacht werden müssen (Verpixelung oder schwarzer Balken) und wann nicht.

 

Im Allgemeinen überwiegt bei tagesaktuellen Berichterstattungen über Straftaten das Informationsinteresse. So entschied das BVerfG bereits in seiner Lebach-Entscheidung 1973 (BVerfGE 35, 202–245), dass „wer den Rechtsfrieden bricht, grundsätzlich auch dulden muss, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird“. Dabei muss aber das Verhältnis der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit angemessen sein, sodass eine (identifizierende) Bildberichterstattung über Straftäter keineswegs immer zulässig ist.

 

Wann sind Fotos von Straftätern unkenntlich zu machen?

Die Beantwortung dieser Frage richtet sich nach §§ 22, 23 KUG. Grundsätzlich dürfen hiernach Bilder nur mit Einverständnis des Abgebildeten veröffentlicht werden. Eine Ausnahme besteht dann, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 I Nr. 1 KUG). Nach § 23 II KUG darf wiederum ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten/des Straftäters nicht entgegen stehen.

 

Zunächst handelt es sich bei der Verhaftung einer Person um ein zeitgeschichtliches Ereignis in diesem Sinne. Wie das BVerfG in seiner Lebach-Entscheidung erkannt hat, gehören Straftaten und die damit verbundenen Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung sich als Aufgabe der Medien darstellt. Weiterhin waren Straftäter nach ständiger Rechtsprechung als relative Personen der Zeitgeschichte anzusehen und demnach war eine identifizierende Berichterstattung grundsätzlich  möglich. So hat auch das Kammergericht Berlin Straftäter jedenfalls dann als relative Personen der Zeitgeschichte angesehen, wenn die Schwere der Tat, die Person des Täters oder besondere Umstände die Straftat deutlich aus dem Kreis der alltäglichen Kriminalität herausragen (KG Berlin, 9 U 228/05).

 

Nach der Entscheidung des EGMR in der Sache Caroline von Hannover/Deutschland war die ständige Rechtsprechung gehalten, ihr bisheriges Konzept der Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Personen der Zeitgeschichte abzuändern, dabei ging sie zum sog. „abgestuften Schutzkonzept“ über, um die Zulässigkeit einer identifizierenden Bildberichterstattung zu bewerten. Hiernach sind bei der Prüfung von § 23 I, II KUG  im Wesentlichen die folgende Punkte zu beachten, wenn es darum geht zu prüfen, ob ein berechtigtes Interesse des Betroffenen vorliegt oder nicht und folglich eine identifizierende Berichterstattung erlaubt oder unzulässig ist:

 

(1) Beitrag zur Diskussion über eine Frage von allgemeinem Interesse

Bei der Bildberichterstattung muss es sich zunächst um einen Beitrag zur Diskussion über eine Frage von allgemeinem Interesse handeln. Ein Beitrag zur Diskussion über eine Frage von allgemeinem Interesse wird dabei wohl höchstens bei Bagatelldelikten zu verneinen sein.

 

Die Öffentlichkeit hat in der Regel ein Interesse, über Strafverfahren unterrichtet zu werden und sich unterrichten zu können, wobei die Unschuldsvermutung aber strikt beachtet werden muss. Das Interesse ist allerdings je nach Schwere der Tat unterschiedlich groß und kann nach der Festnahme im Lauf eines Verfahrens größer werden. Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen können, sind z.B. der Bekanntheitsgrad des Betroffenen, die Umstände des Einzelfalls und andere Entwicklungen während des Verfahrens.

 

(2) Bekanntheitsgrad des Betroffenen

Der Bekanntheitsgrad des Straftäters ist in die Abwägung einzubeziehen. Handelt es sich um einen Prominenten, so ist das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Person der Öffentlichkeit größer, als an der Berichterstattung über einen Unbekannten, der eine Straftat begangen hat. Personen, die in der Öffentlichkeit stehen haben zudem meist eine gewisse Vorbildfunktion, was wiederum ein erhöhtes Interesse an der identifizierenden Berichterstattung rechtfertigt.

Des Weiteren ist insbesondere bei entsprechend bekannten Personen, das Vorverhalten des Betroffenen mit in die Bewertung mit einzubeziehen. Hat der Betroffene zuvor bereits mit den Medien kooperiert und Details über sein Privatleben mitgeteilt und offengelegt, so wird seine „berechtigte Erwartung“, dass sein Privatleben wirksam geschützt werde, reduziert – so der EGMR 2009 in seiner Entscheidung im Fall Hachette Filipacchi Associés [ICI PARIS]/Frankreich.

 

(3) Zusammenhang und die Begleitumstände der Aufnahmen bzw. der Informationserlangung

Es spielt zudem eine Rolle, wie die Aufnahmen bzw. die Information erlangt wurden: Wurde die Bildberichterstattung erst veröffentlicht, nachdem die Strafverfolgungsbehörden die Identität des Straftäters öffentlich gemacht haben oder schon vorher?

 

Wurden die Fotos erst veröffentlicht, nachdem die Strafverfolgungsbehörden die Tatsachen und die Identität des Täters bekannt gemacht hatten, ist der Eingriff als geringer einzuschätzen. Wurden die Aufnahmen aber vorher veröffentlicht, ist ein gravierender Eingriff gegeben, insbesondere wenn die Unschuldsvermutung dadurch untergraben wird. Zwar ist bei Straftaten zunächst die Sozialsphäre betroffen, allerdings kann durch entsprechende Darstellung des Betroffenen in seine Privatsphäre eingegriffen sein.

 

Diesbezüglich verwischen sich hier die Grenzen mit einem weiteren zu Berücksichtigenden Punkt – Inhalt und Form der Darstellung unter (4) – auf den zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen wird.  Es ist hierbei aber insbesondere zwischen professioneller Pressetätigkeit und Laienbeiträgen zu unterscheiden. Wird eine Person z.B. bei einer Festnahme gefilmt und dieses Video auf Youtube veröffentlicht, so ist zu unterscheiden, ob dieses Video einen Berichterstattungscharakter aufweist und möglicherweise die Wiedergabe einer professionellen Medienberichterstattung auf einer weiteren Plattform darstellt, oder ob das Video privat und heimlich nur aus reiner „Sensationsgier“ aufgenommen und veröffentlicht wurde. Heimlich  aufgenommenen  Videos  ohne  Berichterstattungscharakter, dürften wohl je nach Gestaltung weder dem Grundrecht der Pressefreiheit noch dem der Meinungsfreiheit unterfallen, wenn es keine wertende Stellungnahme enthält. Jedenfalls müsste in solchen Fällen die Meinungsfreiheit hinter dem Persönlichkeitsschutz zurücktreten.

 

(4) Inhalt, Form und Folgen der Veröffentlichung

Es kommt im Weiteren auf sonstige Begleitumstände an, wie z.B. wann die Aufnahmen veröffentlicht wurden, was genau sie zeigen und welche Folgen die Veröffentlichung mit sich bringt.

 

 

Bei Verdachtsberichterstattung ist insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren und ebenso die Unschuldsvermutung zu beachten. Das Kammergericht Berlin führte hierzu aus, dass insoweit etwa bei einem Straftäter zu berücksichtigen sei, wenn den Umständen der Verhaftung ein eigenständiger Verletzungseffekt zukommt, z.B. im Bild nicht nur eine Festnahmesituation gezeigt wird, die den Betroffenen nicht in einer über diesen Umstand hinausgehenden Weise den Blicken der Öffentlichkeit preisgibt, sondern der Öffentlichkeit ein zum Teil entblößter und von Wunden im Gesicht (als Folge des Zugriffs) gezeichneter am Boden liegender Festgenommener gezeigt wird (KG Berlin, 9 U 228/05).

 

 

Ebenso wichtig ist die Beachtung der Unschuldsvermutung in Fällen, in denen aus dem gesamten Beitrag nicht deutlich wird, dass es sich lediglich um einen Verdächtigen handelt – dann liegt ein entsprechend gravierender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vor. Auch die Folgen, die die Bildberichterstattung für den Betroffenen haben kann sind in der Abwägung zu berücksichtigen. Eine unbekannte Privatperson kann je nach Schwere der Straftat, schnell in Verruf geraten und bei entsprechender Unschuld nur schwer zu einem „normalen“ Leben zurückkehren. Prominente haben dabei einen Ruf zu verlieren und ggf. sogar eine Existenz.

 

Fazit

Die Grenzen zwischen den einzelnen Kriterien sind schwammig und gehen ineinander über. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass wenn es möglich ist, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit durch anonymisierte Darstellung zu befriedigen, so muss eine Unkenntlichmachung erfolgen.

 

Insbesondere sind die Bekanntheit der Person und die Schwere der Straftat hierbei zu berücksichtigen. Nur bei schweren Straftaten wird man annehmen können, dass eine Person des öffentlichen Interesses vorliegt und sie daher unverpixelt in der Berichterstattung gezeigt werden darf. Im Übrigen dürften identifizierende Bildberichterstattungen nicht erlaubt sein, wenn es sich nicht um eine prominente Person handelt, an der die Öffentlichkeit bereits aufgrund ihrer Vorbildfunktion ein berechtigtes Interesse hat.

 

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Gerade in jüngster Zeit hat die „niedrigschwellige“ Berichterstattung breite Kritik erfahren.

    Angesichts des immer stärker werdenden Drucks auf die sich konsolidierende Medienbranche Storys zu liefern, werden auch juristische Grenzen weiterhin „ausgetestet“.

    Inwiefern die Berichterstattung unter Beachtung der Unschuldsvermutung einem freigesprochenem Straftäter nützt, ist eine andere Frage.

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