Das AG Charlottenburg (Az.: 202 C 537/14) hatte Anfang 2015 folgenden Fall zu entscheiden: Der Mandant entdeckte auf Facebook zwei Videos über ihn. Er hatte Gewichtsprobleme, weswegen er zuvor nicht nur in therapeutischer Behandlung war, sondern sich ebenfalls einer Operation unterzogen hatte. Genau diese Probleme waren Inhalt der Internetvideos: Sie bestanden aus Fotografien des Herrn X, die, mit Musik hinterlegt, in einer Weise bearbeitet wurden, die den Anschein machte, Herr X würde – mit hoher Stimme – Lieder über seine Fettleibigkeit singen.
In diesen Videos wurde er darüber abfällig beschimpft und suggeriert er könne nur an Essen denken. Das alles war zwar nicht frei zugänglich, allerdings für mehrere Hundert ausgewählte Facebook Freunde einer Gruppe – darunter auch Geschäftspartner des Mandanten – verfügbar. Nach anwaltlicher Abmahnung hat der Ersteller des Videos eine Unterlassungserklärung abgegeben. Vor Gericht wurde dann aber über die Kosten der Abmahnung und eine Geldentschädigung gestritten.
Der Unterlassungsanspruch gem. § 22 Satz 1 KUG
Das Amtsgericht Charlottenburg folgte der Auffassung, wonach hier der Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausformung des Rechts am eigenen Bild betroffen war. Dieser grundrechtlich garantierte Schutz ist in nationalen Gesetzen als Unterlassungsanspruch nicht nur in §§ 823 i.V.m 1004 BGB zu finden, sondern auch insbesondere in § 22 KUG.
Gemäß dieser Norm dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Obwohl das Video nur für einen geschlossenen Kreis von Personen zur Verfügung stand, sahen die Richter den § 22 Satz 1 KUG als einschlägig an. Sie erkannten, dass die im Video enthaltenden Fotografien, die eindeutig den Mandanten abbildeten, verbreitet worden waren. Denn obwohl die Videos nur für einen gewissen Personenkreis zur Verfügung standen, seien sie in den Verkehr gebracht worden. Dabei sei es unerheblich, so das Gericht, dass die Videos nur gewissen Personen zugänglich gewesen seien.
Kunstfreiheit und Recht auf freie Meinungsäußerung vs. Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts am eigenen Bild
Der Beklagte allerdings berief sich auf seine Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) und auf sein Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG). Die Kunstfreiheit schützt die Kunst, ihren Werkbereich (Schöpfung des Werkes) und ihren Wirkbereich (die Verbreitung dessen). Der Schutz geht in manchen Fällen sogar so weit, dass sie die negative Darstellung von real erkennbaren Personen rechtfertigt. (Näheres ist im Blogbeitrag: Aus dem Leben der Anderen – Wie sehr darf eine Romanfigur realen Personen gleichen?)
§ 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG spiegelt den Schutz der Kunstfreiheit wieder. Danach ist eine Verbreitung und zur Schaustellung rechtmäßig, wenn dies einem höheren Interesse der Kunst dient. Unter Abwägung der sich jeweils entgegenstehenden Grundrechte beschäftigte sich das Gericht mit der Frage des Kunstgehalts der Videos um zu entscheiden, ob die Kunstfreiheit in diesem speziellen Fall ein höheres Gewicht hat als das Persönlichkeitsrechts des Abgebildetem.
Es ging der Frage nach, ob das Video die Wirklichkeit im „Gewand des Kunstwerkes“ abbildet oder umgekehrt, das Video „mit Anleihen aus der Wirklichkeit“ geschaffen wurde. Einfach gesagt: Ist hier die Wirklichkeit, vielleicht sogar unter dem Deckmantel der Kunst dargestellt oder handelt es sich bei dem fraglichen Video tatsächlich um Kunst, welches nur Züge der Wirklichkeit beinhaltet? Richtigerweise erkannte das Gericht, dass der Beklagte im vorliegenden Fall das Video nicht aus einem künstlerischen Anspruch heraus geschaffen und verbreitet hatte. Es wurde geschaffen, um zu beleidigen. Eine Rechtfertigung aufgrund der Meinungsfreiheit lehnte das Gericht mit wenigen Worten ab. Denn die Beleidigung eines Menschen ist von der Meinungsfreiheit nicht geschützt. (Näheres im Blogbeitrag: Schmähkritik am Beispiel von Sarrazin).
Anspruch auf Schmerzensgeld
Besonders wegen der Schwere der Beleidigungen, der damit verbundenen Ehrverletzung, die einen Nachteil hervorriefen, der in keiner anderen Form auszugleichen war, sprachen die Richter des AG Charlottenburg unserem Mandanten einen Unterlassungsanspruch und einen Anspruch auf Geldentschädigung in Höhe von 1000 EUR zu.
Fazit
Bildnisse wie beispielsweise Videoaufnahmen oder Fotografien von Personen im Internet dürfen nicht ohne Einwilligung der Abgebildeten verbreitet oder veröffentlicht werden. Eine Ausnahme bildet § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG, der eine Verbreitung und zur Schaustellung für rechtmäßig erachtet, wenn es dem höheren Interesse der Kunst dient. Dies ist nicht der Fall, wenn es vordergründig um Diffamierungen der dargestellten Personen geht.
Ein Anspruch auf Geldentschädigung kommt neben einem Anspruch auf Unterlassung dann in Betracht, wenn der Eingriff so schwer wiegt, dass der entstandene Nachteil nicht anders ausgeglichen werden kann. Das ist regelmäßig bei heftigen Beleidigungen, wie es in dieser Sache war, der Fall.
Jeder, der so eine Persönlichkeitsrechtsverletzung im Internet entdeckt, sollte sofort reagieren. Nicht nur, damit schnellstmöglich das eigene Recht in Form eines Anspruchs auf Unterlassung und gegebenenfalls eine Geldentschädigung durchgesetzt werden kann, sondern auch, um diejenigen Menschen, die diese Videos und Fotografien unverfroren ins Internet stellen, zu stoppen, damit sie zukünftig nicht noch mehr Schaden anrichten.
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