Nice try: Die Streaming-Abmahnung [Updates]

Aktuell ist eigentlich alles Wesentliche zu diesem Thema gesagt. Trotzdem kann es nicht schaden, die wichtigsten Punkte zusammen zu tragen. Wer tiefer einsteigen will, der findet am Ende des Beitrags weiterführende Links.

 

Worum geht es? Die Kanzlei U+C Rechtsanwälte (bekannt für zweifelhafte Filesharing-Abmahnungen und den „Porno-Pranger„) verschickt in diesen Tagen massenweise urheberrechtliche Abmahnungen. Den Adressaten wird vorgeworfen, Pornos gestreamt (also nicht heruntergeladen) zu haben.

 

Ich nehme an, dass die Sache – anderes als Filesharing-Abmahnungen – bald wieder vorbei sein wird. Wobei die Geschichte für die auf Abmahnseite beteiligten Rechtsanwälte noch ein Nachspiel haben kann.

 

Es geht nicht um Filesharing

Bei der Abmahnung geht es um das Streamen von Pornos, genauer um den Titel „Dream Trip“ der Firma „The Archive AG“. Dieser Film soll auf dem US-amerikanischen Erotik-Portal Redtube gestreamt worden sein. Anders als bei Filesharing-Abmahnungen (z.B. über BitTorrent) wird keine lokal nutzbare Kopie der Datei geschaffen. Deswegen hat diese Abmahnwelle, die aktuell noch anhält, für viel Aufsehen gesorgt, denn das Streamen wurde um großen Stil bis dato noch nicht abgemahnt.

 

Trotzdem: Viele schätzen, dass die Sache nicht weit kommt. Aktuell ist zumindest nicht davon auszugehen, dass neben dem Filesharing nun auch das Streamen langfristig abgemahnt wird. Denn die (aktuelle !) Abmahnung der Kanzlei U+C hat sehr viele Schwachstellen und Unklarheiten zu bieten. Im Einzelnen:

 

  • Das Gericht, dass die Telekom (und vermutlich auch andere Provider) zur Auskunft über die Adressen der Anschlussinhaber verpflichtet hat, war sich offenbar nicht im Klaren, dass es diesmal ums Streaming geht. Die Richter haben scheinbar die Sache durchgewunken in der Annahme, dass es – wie in vielen anderen hunderten Auskunftsbeschlüssen – ums Filesharing geht. Das kann man klar im Beschluss nachlesen. Auch gut möglich, dass das Gericht „getäuscht“ wurde und die Streaming-IP-Adressen im Rahmen einer Filesharing-Auskunft untergejubelt waren. D.h. die IP-Adressen und die dazugehörigen Anschlussinhaberinformationen sind auf sehr zweifelhaftem Weg erlangt worden. Das führt nicht per se zu einer Unwirksamkeit der Abmahnung, aber vor Gericht müsste die Kanzlei U+C nachweisen, dass bei der Ermittlung der IP-Adressen fehlerfrei ist. Das scheint hier doch sehr fraglich, denn noch ist nicht klar, woher die IP-Adressen überhaupt abgeschöpft wurden.
  • Die Abmahnung entspricht nicht den rechtlichen Anforderungen. § 97a Abs. 2 Nr. 4 UrhG schreibt vor, dass in einer Abmahnung, die eine zu weitgehende Unterlassungserklärung enthält, auf diesen Umstand hingewiesen wird. Das ist hier nicht der Fall.

 

Gegenangriff?

Es bestehen gute Aussichten, sich gegen die Abmahnung zu wehren. Wer eine Abmahnung erhalten hat und das Kostenrisiko nicht scheut, sollte die Abmahnung gerichtlich angreifen. Problem nur, dass das abmahnende Unternehmen in der Schweiz sitzt. Denkbar ist es auch, die Abmahnkanzlei direkt in Regress zu nehmen.

 

Vorsicht vor Abzocke

Man könnte meinen, dass ich mit Abzocke die Abmahnungen der Kollegen von U+C meine. Aber niiiicht doch!

 

Gemeint sind E-Mails die parallel zu den Abmahnungen aufgetaucht sind und auch vermeintliche Streaming-Abmahnungen sind. Solche E-Mails sind mit äußerster Vorsicht zu genießen. Zwar ist es auch möglich, eine Abmahnung per E-Mail zu verschicken, aber die, die ich gesehen haben, waren alle Fake-Abmahnungen.

 

Man erkennt das an dem E-Mail Absender und dem „Tatzeitpunkt“ der in der Zukunft liegen soll. Im Zweifel besser einen Rechtsanwalt fragen, aber bei genauem Hinsehen kann man diese „Abmahnungen“ als falsch entlarven.

 

Was tun?

Es handelt sich um eine Abmahnung von zugelassenen Rechtsanwälten. Das Schreiben sollte also nicht per se sofort entsorgt werden. Gegenwärtig ist die Sache aber weniger bedrohlich, als bei den altbekannten Filesharing-Abmahnungen. Wie die meisten Kollegen tendiere ich aktuell dazu, dass man hier keine Unterlassungserklärung abgeben sollte. Um sicher zu gehen, kann es aber Sinn machen, einen Anwalt mit der Sache zu beauftragen. Gut möglich, dass die Kanzlei U+C bald eine überarbeitete Abmahnung verschickt, die dann nicht mehr mit der heißen Nadel gestrickt ist.

 

Weiterführende Links

 

Updates

[11.12.13]

 

[12.12.13]

 

[13.12.2013]

 

[17.12.2013]

 

14 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. In der Zwischenüberschrift hat sich ein Fehler eingeschlichen:
    „Es handelt geht nicht um Filesharing“

    Übrigens: Sehr tolles Blog, werde ich in Zukunft öfters besuchen.

  2. Dazu ist eben noch gar nicht alles gesagt, denn es fängt erst richtig an:

    1. Der Richtervorbehalt, den Siegmar Gabriel momentan wegen Seiner Vorratsdatenhaltung so bemüht, wird durch diesen Fall ins Absurde geführt und lächerlich gemacht. WAS genau soll jetzt ein Richtervorbehalt noch bewirken? Dass sie im Fehlerfall eine bleanglose PDF veröffentlichen?

    2. Das Prinzip der Abmahnung betrifft alle Streamings, nicht nur Pornos. Es geht auch um Youtube und es geht um absolut alle Videos im Netz. Aber auch Audio wird gestreamt, kurzum, alleine die Leichtfertigkeit, mit der manche Richter das Streaming als urheberrechtliches Vervielfältigen ansehen, kann das ganze Internet wie wir es kennen und lieben, in Deutschland lahm legen. Weil das Label „Porno“ an dem Fall klebt, kümmern sich viele nicht um die Reichweite der Sache.
    Webseiten aufzurufen könnte danach ein unkalkulierbares Risiko werden.

    3. Warum sollte man bei Streamings stoppen? Es gibt ja auch noch Bilder! Auch diese genießen urheberrechtlichen Schutz und werden im Cache des Browsers und Computers „vervielfältigt“. Also was hindert die Abmahner und Richter daran, auch dieses als unerlaubtes Kopieren zu sehen?

  3. Ach ja, das wäre noch zu erwähnen:

    4. Die Herkunft der IP-Adressen in Abmahnfällen ist ab sofort jedesmal zu bestreiten. In diesem Fall ist klar geworden, dass IP-Adressen auf dubioser Weise beschafft werden können und in keinster Weise irgendeine Schuld oder Tat beweisen.
    Die These, dass sie über eigen geschaltet Werbung zum Video bei dem Portal an die IP gelangt sind, würde technisch sehr gut passen.

    Im Prinzip könnte selbst hier eine Werbung eingeblendet sein, die irgendein Video so nebenbei laufen lässt und die IP dabei mit protokolliert.
    Das würde laut manchen Richtern schon zur Herausgabe der Nutzdaten beim Provider reichen und schon läuft die Abmahnung.
    Kurzum: IP-Adressen sind ab heute als wertlos für Abmahnungen anzusehen. Da gehören bessere Beweise dazu.

  4. Gute Zusammenfassung, danke. Interessant fand ich noch den Hinweis auf Ratgeberrecht.eu, wonach eine auch im Umfeld urheberrechtlicher Abmahnungen nicht gänzlich unbekannte Figur aus Frankfurter Musikgewerbekreisen mit der ominösen Schweizer Archive AG in Verbindung steht http://www.ratgeberrecht.eu/urheberrecht-aktuell/abmahnung-streaming.html (dort Update 9.12.). Wenn sich das erhärten lässt, hätte man ja unter Umständen doch wieder zwei, naja, Ansprechpartner in Deutschland. Oder ist das zu optimistisch gedacht?

  5. Die Mehrheit (Community und Fachanwälte) vermuten ja, dass die IP-Adressen über geschaltete Werbung auf dem betroffenen Portal gesammelt wurden.
    In diesem Fall tritt ein weiteres Problem auf. Die IP-Adresse mag zwar korrekt sein aber es kann in keinem Fall schlüssig bewiesen werden, dass der Stream tatsächlich gestartet (und gesehen) wurde.
    Merke: Aufruf der Seite ≠ Ansehen des Films.
    Erst recht handelt es sich NICHT um eine BEWUSSTE Urheberrechtsverletzung, da Videoportale dieser Art oft nur Teaser anbieten, die zum Kauf des (zweifelhaften) Kunstwerkes animieren sollen.

  6. Zitat:“Problem nur, dass das abmahnende Unternehmen in der Schweiz sitzt.“

    Wieso dürfen schweizer Anwälte deutsche Bürger nach deutschem Recht abmahnen und wenn man sich wehren will muss das nach schweizer Recht geschehen ?

  7. Danke für den Link, Herr Hengel. In erster Linie kommt es auf den Abmahnenden an. Kann man tatsächlich nachweisen, dass der nur als Schweizer Strohmann fungiert, ist das durchaus denkbar. In der Sache kommen sicher noch interessante Entwicklungen zu Tage. 🙂

  8. Jörg, man kann schon vor einem deutschen Gericht (nach deutschem Recht) klagen, aber dann die Kosten in der Schweiz zu vollstrecken ist extrem aufwändig und kostspielig. D.h., selbst wenn man gewinnt, bleibt man zumindest auf den Kosten des eigenen Anwalts sitzen.

  9. „Nice Try“ – Was an diesem unredlichen Versuch nett sein soll, erschließt sich mir nicht. Hier sitzen vermutlich Tausende eingeschüchterter Bürger und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Nicht jeder hat außerdem die Mittel, sich Rechtsbeistand zu besorgen, wie von den meisten Anwälten im Netz empfohlen wird.
    U.+C. ist ja nicht erst seit heute mit dieser Masche unterwegs.
    In meinen Augen ist es skandalös, wie hier mit den Daten und Rechten von Bürgern von Seiten der Justiz umgegangen wird und ich befürchte, dass nicht wenige das Vertrauen in unseren „Rechtsstaat“ verlieren. Also, Herr Anwalt, ein bisschen Feingefühl bei der Wortwahl wäre angeraten, denn nett ist an dieser Farce gar nichts!

  10. @Sieglinde B.: Hier sollte man RA Dramburg mal jetzt nichts falsches unterstellen. Aus juristischer Sicht sind Filesharing-Abmahnungen eh häufig ein zweifelhaftes Tätigkeitsgebiet und bei der Art und Weise wie es jetzt passiert ist, richtet sich das „Nice try“ wohl ausschließlich abfällig gegen U+C und Sebastian. Zu Recht.

  11. @Lars: „Nice try“ klingt für mich aber nicht abfällig (genug), eher (nur) ironisch. Aber Wortklauberei liegt gar nicht in meiner Absicht und Herrn RA Dramburg etwas zu unterstellen auch nicht. Ich bin zugegebenermaßen als Betroffene etwas angefressen und versuche seit Tagen mich zu informieren und wenn man dann auf Titel wie „Nice try“ oder „innovativ, aber unbegründet“ stößt, dann drängt sich mir mitunter die Frage auf, ob den Herren „Unhold und Compliezen“ womöglich auch noch Bewunderung ob ihres „Einfallsreichtums“ entgegengebracht wird. Ich meine einfach, die Entrüstung der Anwaltschaft sollte deutlicher und ernsthafter zum Ausdruck gebracht werden, schliesslich wird ihre ganze Zunft durch diese „Herren“ besudelt.

  12. Liebe Frau B., Ihren Unmut als offenbar Betroffene in Ehren, aber lassen Sie dem Herrn Dramburg doch bitte das Recht auf ironische Formulierungen. Platt und stumpf Gesagtes kann man ja schon sonst überall lesen.

    Aber ich sage es von meiner Warte aus gern ganz platt und stumpf und hoffentlich unmissverständlich: Der Lawbster-Autor ist jeder Sympathie für solche Abzockkampagnen gänzlich unverdächtig. Alles andere sind ausgesprochen trollige Behauptungen.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Das Verfassen eines Kommentars ist ohne Angabe personenbezogener Daten möglich. Mehr Informationen in der Datenschutzerklärung.