Der Interviewvertrag und andere Rechtsfragen rund um das Interview

Die Interviewführung gehört zum journalistischen Alltag genauso wie das Kaffee trinken. Doch selten wird ein Interview so gedruckt, wie es geführt wurde. Jeder Interviewpartner verlangt seine eigenen speziellen Konditionen. Doch Wenigen ist hierbei klar, ob überhaupt und wenn ja was rechtlich zwingend zu regeln ist und was bloße unverbindliche Vorgaben sind.

 

Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, sollten folgende Dinge vor dem Interview geklärt werden:

 

Zunächst sollte der Interviewer von Anfang an offenlegen, dass er als Journalist dieses Gespräch führen wird und nicht zu privaten Zwecken, denn Journalisten geben sich grundsätzlich immer zu erkennen. Dieser Recherchegrundsatz  ist auch  im deutschen Pressekodexe (Richtlinie 4.1) verankert und auch schon 1986 urteilte das OLG Köln, dass bei reinen Privatgesprächen mit Journalisten nicht mit Veröffentlichungen gerechnet werden muss (OLG Köln,  6 U 182/85). Diese Regel gilt auch bei Interviews auf der Straße, d.h. hier sollte der Journalist seinen Namen, seine Funktion und das Gesprächsthema nennen, sowie die Zustimmung zu diesem Gespräch und zu Tonbandaufnahmen dokumentieren.

Wer allerdings ein Interview in dem Wissen gibt, dass es gesendet oder gedruckt werden soll, erteilt durch sein schlüssiges Verhalten die Einwilligung zur Veröffentlichung (LG Köln, 28 O 134/89). Von diesem Verhalten ist auszugehen, wenn ihm z.B. ein Mikrofon offensichtlich hingehalten wird und ein Aufnahmegerät auf ihn gerichtet ist und er sodann auf Fragen antwortet bzw. auf den Interviewer eingeht.

Denn das Recht am gesprochenen Wort gehört zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht, welches durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG garantiert wird. Dies beinhaltet die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsgehalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll (BGH, XII ZR 227/03; BGH, XII ZR 210/04). Wenn also der Interviewte einen Gesprächstermin wahrnimmt, so verfügt er über sein Recht am eigenen Wort.

 

Sollte es doch einmal zum Streit kommen, ob eine Einwilligung zur Veröffentlichung gegeben wurde, so trägt die Beweislast der Einwilligung hier regelmäßig der Interviewer bzw. der Verwender des Interviews, wie z.B. eine Zeitung. Daher sollte der verantwortliche Interviewer sich die Einwilligung vor Beginn des Interviews geben lassen. Dies kann durch eine schriftliche Vereinbarung (Hiermit stimme ich, Name des Interviewten, der Veröffentlichung der mir gesagten Worte durch Name des Journalisten zu) oder durch eine Tonbandaufnahme erfolgen. Bei der Tonbandaufnahme hingegen gilt es zu beachten, dass der Interviewte sich auch mit den Tonbandaufnahmen einverstanden erklärt, da sonst die Vertraulichkeit des Wortes gem. § 201StGB verletzt wird. Für die Praxis ist bei Tonbandaufnahmen zu raten, dass zunächst die Einwilligung in die Tonbandaufnahmen, dann die Einwilligung in die Veröffentlichung des aufgenommenen Gesprächs dokumentiert wird.

 

Beispiel für eine Tonbandaufnahme:

Sehr geehrte/r Herr/Frau vollständiger Name der/s Interviewten,  stimmen Sie der Tonbandaufnahme unseres Gesprächs zu?Ja.

(Sollte „Nein“ geantwortet werden, gilt es, das Tonbandgerät umgehend auszustellen und etwaige Absprachen bestenfalls schriftlich festzuhalten. Ein gutes Argument für eine Tonbandaufnahme ist jedoch, dass bei einem Interview gerade der genaue Wortlaut des Gesprächs festgehalten werden soll und dies allein durch schriftliche Dokumentation die Wiedergabe verfälschen würde.)

 

Stimmen Sie der Veröffentlichung des nachfolgend geführten Gesprächs zu?Ja.

(Sollte „Nein“ geantwortet werden, bedarf es einer Rücksprache bzgl. des Sinns des Interviews, wenn es nicht veröffentlicht werden darf. Einschränkungen wie z.B. Autorisierungswünsche oder den Vorbehalt des Rückrufs von Aussagen gilt es vor dem Interview zu klären und bestenfalls vor Gesprächsbeginn zu dokumentieren.)

 

Stimmen Sie unseren Vereinbarungen bzgl. des Honorars i.H.v. 50 € zu, oder

stimmen Sie unseren Vereinbarungen bzgl. der Autorisierung der Veröffentlichung des Interviews dahingehend zu, dass ich, Name der/s Interviewerin/s, Ihnen ,Name der/s Interviewten, das Interview eine Woche vor Veröffentlichung zukommen lasse. Sollten Sie binnen drei Werktage keine Änderungswünsche äussern, so gilt das Interview als autorisiert?– Ja.

(Hier sollten alle besonders ausgehandelten Konditionen noch einmal kurz und prägnant festgehalten werden, in sofern keine schriftliche Abmachung bestehen.

Sollte „Nein“ geantwortet werden, so Bedarf es einer neuen Aushandlung der in Frage stehenden Konditionen. Dies kann auf den Tonbandaufnahme festgehalten werden, bis beide Parteien zu einem Konsens gelangen.)

[Beginn des Interviews]

 

Sollte ein bereits geführtes Gespräch nachträglich zu einem Interview rekonstruiert werden, so bedarf es einer nachträglichen Autorisierung durch den Befragten. Auch kann sich der Interviewte das Recht vorbehalten, das bearbeitete Interview vor Veröffentlichung zu autorisieren. Dies sollte vor dem Interview abgeklärt werden. Hierbei bietet es sich an eine Frist zu vereinbaren, damit der Publizierende nicht unnötig mit der Veröffentlichung warten muss. Von Vorteil ist es vorab den Rahmen der Änderungswünsche zu bestimmen, wie z.B., dass nachträgliche Änderungen die das Gesagte sinnmäßig verändern nicht zulässig sind. Welche genauen Vereinbarungen aber für das Interview festgelegt werden, liegt natürlich bei den beiden Parteien.

 

Eine Autorisierungsvereinbarung könnte wie folgt lauten:

[Name des Interviewers] überlässt [Name des Interviewten] das zur Veröffentlichung vorgesehene Werk spätestens eine Woche vor Veröffentlichung. Sollte [Name des Interviewten] Änderungen vornehmen wollen, so ist dies [Name des Interviewers] innerhalb von [drei Werktagen] mitzuteilen. Ansonsten gilt das Werk mit Ablauf des dritten Tages ab Zugang als autorisiert und darf ohne Einschränkungen durch [Name des Interviewers] veröffentlicht werden.

 

Für den Journalisten ist es wichtig bei der Bearbeitung des Interviewmaterials die sinngetreue Wiedergabe des Gesagten zu beachten. Denn ein Wortlautinterview ist auf jeden Fall journalistisch korrekt, wenn es das Gesagte richtig wiedergibt (Richtlinie 2.4 des deutschen Pressekodex). Das bedeutet insbesondere, dass die Aussagen des Befragten immer den von ihm bezweckten Kern treffen müssen – auch nach Kürzungen. Bewusst mehrdeutig getroffene Aussagen müssen mehrdeutig bleiben und dürfen nicht etwa durch nachträgliche Konkretisierung der Interviewfrage in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.

 

Im Zweifel gilt immer das gesprochene, beweisfähige Wort. Genau aus diesem Grund ist es immer ratsam das Interview (mit Einwilligung des Interviewten) aufzuzeichnen.

 

Selbstredend sind vertrauliche Aussagen vertraulich zu behandeln und dürfen somit nicht veröffentlicht werden. Es sei denn, es steckt ein besonderes öffentliches Interesse dahinter, dann gilt es allerdings das Verwertungsverbot zu beachten.

 

Sollte dennoch ein Widerruf der Einwilligung zur Veröffentlichung bestehen, so ist dieser nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Etwa wenn sich die Umstände seit ihrer Erteilung so geändert haben, dass die Veröffentlichung den Betroffenen in seiner Persönlichkeit empfindlich beeinträchtigt. Sollten sich die Umstände dahingehend ändern, dass eine Veröffentlichung des Interviews für den Herausgeber nicht mehr von Interesse ist, so kann die Publikation auch unterlassen werden. Eine Veröffentlichungspflicht besteht für den Journalisten nämlich nicht.

 

Der Interviewte hat jedoch gewisse Ansprüche, wenn der Journalist trotz aller Vorkehrungen nicht fachlich korrekt gearbeitet haben sollte.

 

Bei der Behauptung falscher Tatsachen hat der Geschädigte einen Berichtigungsanspruch gegenüber dem Herausgeber. Er kann aber auch eine (von ihm verfasste) Gegendarstellung der veröffentlichten Fakten verlangen. Dieser Widerspruch ist u.a. in § 10 des Berliner Pressegesetz geregelt. Bei besonders schweren Verletzungen des Persönlichkeitsrechts kann eine strafbewehrte Unterlassungserklärung der Redaktion und sogar eine Geldentschädigung verlangt werden.

 

Um dieser ultima ratio jedoch hervorzukommen, sollten die wesentlichen Punkte des Interviews vorab geklärt werden, sodass beiden Parteien klar ist, worauf sie sich einlassen.

 

Gastbeitrag von Frau Judith Ludwig

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