Die Lehre der Zweckübertragung ist eine sperrige Bezeichnung für eine im Urheberrecht doch ziemlich wichtige Regelung. Sie greift immer dann, wenn es in einem Vertragsverhältnis keine oder nur eine unzureichende Vereinbarung hinsichtlich der Nutzungsrechte gibt. Wichtig wird die Regelung also z.B. wenn ein Webdesigner auch urheberrechtlich geschützte Leistungen erbringt (z.B. ein aufwändiges Logo erstellt) und es in dem Vertrag zwischen Webdesigner und Auftraggeber keine Vereinbarung über die Übertragung der Nutzungsrechte an diesem Logo gibt.
Fehlt es also an einer (eindeutigen) vertraglichen Bestimmung bei der Einräumung von Nutzungsrechten, kommt die Zweckübertragungslehre (oder auch „Zweckübertragungslehre“ genannt) bei der Auslegung des Vertrages zur Anwendung. Es handelt sich also dabei um eine gesetzliche Regelung, die bei Vertragslücken Anwendung kommt. Die Regel findet sich in § 31 Abs. 5 UrhG und besagt, dass es im Zweifelsfall auf den Vertragszweck ankommt, ob und in welchem Umfang Nutzungsrechte eingeräumt wurden.
Die Lehre besagt: Nur die dafür (also für den eigentlichen Zweck des Vertrages) erforderlichen Nutzungsrechte sind vom Vertrag umfasst. Darüber hinausgehende Rechte sind weiterhin dem Urheber vorbehalten. Hintergrund der Regelung ist der Schutz des Urhebers, da er durch die Annahme, dass er seine Rechte nicht über den Vertragszweck hinaus übertragen wollte, die größtmögliche Verwertungsmöglichkeit seines Werkes hat. So kann er auf verschiedene Arten und nicht nur für die Schaffung des Werkes für seine Arbeit entlohnt werden.
Die Zweckübertragungslehre ist aber nicht nur dann relevant, wenn es an einer vertraglichen Regelung fehlt. Sie ist auch dann anwendbar, wenn die Vereinbarung zur Übertragung der Nutzungsrechte lückenhaft ist.
Pauschale Rechteeinräumung
So spielt die Zweckübertragungslehre bspw. bei der pauschalen Rechteeinräumung eine Rolle (z.B. „X steht ein ausschließliches, unentgeltliches Nutzungsrecht mit der Befugnis zur Veränderung und Abänderung der Grafik zu“). Die Nutzungsrechte sind demnach nur auf den zu bestimmenden, tatsächlichen Vertragszweck beschränkt und nicht endgültig abgetreten.
Gibt es in dem Vertrag eine vollständige pauschale Regelung, wonach Rechte für jede erdenkliche, ausdrücklich aufgezählte Nutzungsart übertragen werden soll („umfassend, ausschließlich, räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkt“) und auch für unbekannte Nutzungsarten eine weitere Vergütung nicht verlangt werden kann, dann ist diese Klausel rechtswidrig. Vor allem, wenn die Ausübung des Widerrufsrechts für den Urheber ausgeschlossen wird und die Nutzungsrechte durch eine Einmalzahlung abgegolten werden sollen (LG Mannheim, 7 O 442/11; „Total-Buy-Out“).
Beschränkte Rechteeinräumung
Sind die Nutzungsmöglichkeiten vertraglich beschränkt, d.h. eindeutig durch schriftliche oder mündliche Vereinbarung geregelt, muss der Urheber dementsprechend das Werk zur weiteren Verwendung erst freigeben. Eine Auslegung nach der Zweckübertragungslehre ist bei einer eindeutigen vertraglichen Beschränkung erfolgt dann nicht.
Beispiele:
- Ein Fotograf macht für ein Unternehmen Bilder, die für Katalogwerbung verwendet werden sollen. Verwendet das Unternehmen die Bilder auch für Fernsehwerbung oder die eigene Homepage, verstößt es zwar nicht gegen den Vertrag (das täte es z.B. bei einer über der Vereinbarung liegenden Stückzahl von Katalogen), allerdings ist die Nutzung der Bilder auf den Katalogdruck beschränkt und somit nach der Zweckübertragungslehre nicht mehr vom Vertragszweck gedeckt. Damit verletzt das Unternehmen die Rechte des Fotografen.
- Ein Fotograf macht Bewerbungsfotos. Das „Motiv“ darf die Bilder anschließend nur für Bewerbungen nutzen, aber nicht z.B. auf der Website des neuen Arbeitgebers unter der Rubrik „Mitarbeiter“ veröffentlichen.
Einzeln aufgeführte Nutzungsrechte
Um sicher zu gehen, werden gerade in Lizenzverträgen die jeweiligen Nutzungsrechte daher einzeln und beinahe allumfassend aufgezählt. So ist eindeutig geregelt, welche Verwendungsmöglichkeiten der Vertragspartner hat und die Zweckübertragungslehre kommt nicht zur Anwendung. Denn auch dann, bei einer detaillierten Aufzählung, ist kein Raum für eine Auslegung anhand der Zweckübertragungstheorie.
Fazit
Insbesondere dem Auftraggeber sollte daran gelegen sein, eine konkrete Regelung hinsichtlich der Nutzungsrechteübertragung zu vereinbaren. Im Zweifel bekommt er sonst aufgrund der Zweckübertragungslehre möglicher Weise weniger Rechte eingeräumt, als ursprünglich beabsichtigt. Aber auch für den Auftragnehmer bringt eine klare Bestimmung Vorteilet: Er hat Gewissheit darüber, welche Rechte er aus der Hand gegeben hat ob die Vergütung dem auch angemessen ist.
Die Zweckübertragungslehre findet ihren gesetzlichen Niederschlag in § 31 Abs. 5 UrhG.
Ungünstiger Zahlendreher 🙂 Vielen Dank für den Hinweis!