Erhält man eine Abmahnung von einem sog. Abmahnverein, stellt sich schnell die Frage, wer diese Vereine überhaupt sind und welche Berechtigung diese Vereine und Verbände haben, Abmahnungen gegen Dritte auszusprechen.
Wettbewerbsverbände sind ein Zusammenschluss von Interessengruppen einer oder mehrerer Geschäftszweige, die das Ziel verfolgen rechtlich gegen Wettbewerbsverstöße vorzugehen. Dabei ist häufig eine Vielzahl von Unternehmen in den Abmahnvereinen Mitglied. Viele der Vereine tragen Namen, die auf eine altruistische Ausrichtung schließen lassen, wie „Verband Sozialer Wettbewerb e.V.“ (VSW).
Selten sind die Interessen der Vereine aber tatsächlich so gemeinnützig wie es die Fassade vermitteln will. So scheinen in vielen Fällen schlicht die Gewinnerzielungsabsicht aus Abmahngebühren und Vertragsstrafen (nach Abgabe einer Unterlassungserklärung) das Interesse der Vereine. Häufig werden Verstöße gegen das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) abgemahnt.
Typische Verstöße sind dabei Behinderungen des Wettbewerbs, Nachahmungen von Waren sowie Handlungen, die sich zu Lasten von Verbrauchern auswirken. In letzter Zeit werden auch verstärkt mangelnde Werbekennzeichnungen von Social-Media-Beiträgen wie Instagram Posts abgemahnt.
Die Abmahnvereine mahnen also vermeintliche oder tatsächliche Wettbewerbsverstöße ab.
Bekannte Abmahnvereine – Portraits
Im Folgenden werden einige Vereine kurz vorgestellt:
Der Verband Wirtschaft im Wettbewerb (WiW) wurde 1976 in Düsseldorf gegründet. Laut der Vereinssatzung hat sich der WiW unter anderem zum Ziel gemacht, die gewerblichen Interessen der Mitglieder zu fördern, und das Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zu schützen.
Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) mit Sitz in Berlin hat sich laut eigenen Angaben der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs sowie der Wirtschaftskriminalität verschrieben. In der letzten Zeit sorgte der VSW mit der Abmahnung von Influencern auf Instagram für Schlagzeilen.
Der Verein für lauteren Wettbewerb e.V. mit Sitz in Hamburg strebt laut Satzung die Förderung des lauteren Wettbewerb der gewerblichen Wirtschaft, sowie den Schutz derselben vor unlauterem Wettbewerb an.
Der Verein zum Schutz des legalen Wettbewerbs (VSLW) beschreibt sich selbst als ein Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, zu einem fairen Wettbewerb beizutragen.
Der Verein Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V. (kurz Wettbewerbszentrale) sieht sich selber als „größte und einflussreichste bundesweit und grenzüberschreitend tätige Selbstkontrollinstitution zur Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb“. Die Mitgliederliste ist online einsehbar.
Wer darf bei UWG-Verstößen Abmahnungen aussprechen?
Grundsätzlich erlaubt das UWG Mitbewerbern (also anderen Unternehmern) gegen Ihre Konkurrenten vorzugehen, wenn diese sich gesetzeswidrig im Markt verhalten.
Das UWG erlaubt aber (neben den Mitbewerbern) auch ausdrücklich, dass rechtsfähige Vereine solche Verstöße verfolgen. Dies ist in § 8 Absatz 3 Nummer 2 UWG geregelt. Eine solche Regelung reicht bis auf das Wettbewerbsgesetz von 1896 zurück, und soll eine Ergänzung zu der Rechtsverfolgung durch die Mitbewerber darstellen. Die Notwendigkeit einer solchen Ergänzung wird damit begründet, dass einzelne Mitbewerber aufgrund der finanziellen und zeitlichen Risiken nur ungern gegen Ihre Konkurrenten vorgehen. Tatsächlich verfolgt das UWG viele Ziele, wie den Verbraucherschutz, die der Allgemeinheit zu Gute kommen.
Aus dem Gesetz ergibt sich aber nicht, dass jeder Verein in jeder Fallkonstellation auch wirklich klagebefugt ist. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen eine Regelung entschieden, die die Eintragung der klagebefugten Vereine in ein spezielles Register vorgesehen hätte. Aus diesem Grund müssen die Voraussetzungen für die Klagebefugnis der Vereine in jedem konkreten Einzelfall vom Gericht geprüft werden. Diese lauten wie folgt:
Dem Verein muss eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehören, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. So könnte beispielsweise ein Verein, der lediglich Bauunternehmer als Mitglieder hat, nicht gegen einen Kosmetikversand vorgehen. Das gleiche würde gelten, wenn der Verein lediglich Mitglieder hat, die ihre Waren und Dienstleistungen in Norddeutschland anbieten und dann gegen ein Unternehmen vorgeht, welches ausschließlich in München tätig ist. Natürlich verliert dieses Kriterium im Fall von Internetangeboten zunehmend an Bedeutung, da diese naturgemäß bundesweit (bzw. weltweit) abgerufen werden können.
Wann eine „erhebliche Zahl von Unternehmern“ im Einzelfall erreicht ist, ist schwierig zu sagen. Dies liegt vor allem daran, dass die Gerichte bis jetzt noch keine feste Zahl oder einen festen Anteil festgelegt haben, an dem man sich orientieren könnte. Wichtig ist, dass die vertretenen Unternehmen repräsentativ für den relevanten Markt sein müssen. Dies Bezieht sich auf die Anzahl, Größe und Marktbedeutung der Unternehmen.
Durch den UWG-Verstoß müssen außerdem die Interessen der Mitglieder des Verbandes berührt werden
Der Verbandszweck, also die Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, muss in der Satzung stehen. Der Verein muss personell, sachlich und finanziell imstande sein, diese satzungsmäßigen Aufgaben zu erfüllen.
Abmahnvereine wie der vsw versuchen diese Voraussetzungen zu umgehen, indem Sie auf eine lange Liste von Entscheidungen verweisen, in denen der Verein klagebefugt war. Hier bedienen sich die Vereine auch vermehrt dem Kopieren von Floskeln aus anderen Abmahnungen.
Da z.B. der vsw bereits seit Jahren aktiv abmahnt, wurde unzweifelhaft in einigen Urteilen die Klagebefugnis bejaht. Diese kann jedoch nicht pauschal nachgewiesen werden, sondern ist (wie oben genannt) bei jeder Abmahnung im Einzelfall zu prüfen.
Wo dürfen die Abmahnvereine klagen?
Es stellt sich weiterhin noch die Frage wo, also bei welchem Gericht die Abmahnvereine im Zweifelsfall überhaupt klagen dürfen. Dies kann insbesondere relevant sein, wenn der Verein versucht bei einem Gericht in einer anderen Stadt zu klagen.
Die Zuständigkeit der Gerichte ergibt sich aus § 14 Absatz 1 UWG. Dafür ist zunächst Gerichtsbezirk relevant, in dem der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung hat. Besteht eine solche Niederlassung im Inland nicht, so wird auf den inländischen Wohnsitz zurückgegriffen. Sollte der Beklagte mehrere Wohnsitze haben, steht es den Vereinen frei eine Auswahl zu treffen.
Weiterhin sind gemäß § 14 Absatz 2 UWG auch die Gerichte zuständig, in dessen Bezirk der UWG Verstoß begangen worden ist (Begehungsort). Die Auswahl dieses Gerichtsstands steht jedoch nur dem klassischen Mitbewerber frei. Den Abmahnvereinen steht der Gerichtsstand des Begehungsortes nach § 14 Absatz 2 nur offen, wenn kein Gerichtsstand nach § 14 Absatz 1 Satz 1 zur Verfügung steht.
Fazit
Nicht alle Vereine im Wettbewerbsrecht verfolgen vermeintlich finanzielle Interessen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. wird vom Bund gefördert und scheint tatsächlich primär am Verbraucherschutz interessiert.
Ein Unternehmen, das eine Abmahnung durch einen Wettbewerbsverein arhalten hat, sollte dies nicht vernachlässigen. Wird auf die Abmahnung nicht reagiert, geht die Sache schnell über in ein Verfügungsverfahren vor Gericht. Die Kosten können sich hier gegenüber den Abmahngebühren (in der Regel zwischen 200-300 EUR) durchaus verzehnfachen.
Abmahnvereine sind nichts anderes als die Antwort auf die hohe Arbeitslosigkeit von Juristen, die im Zuge der Juristenschwemme mangels entsprechender Eigenleistung eine Anstellung haben oder selbstständig Mandanten gewinnen können.
Der „achtbare Kaufmann“ respektiert seinen Mitbewerber und beaucht keinen Abmahnverein um sich Gehör zu verschaffen. Er greift zum Mobiltelefon oder zu Papier, schreibt seinen Mitbewerber an und schafft so klare Verhältnisse für alke Kunden. Der erfolgreiche Kaufmann ist nicht arbeitslos.